Gut, gibt es Menschen wie mich, nicht wahr?

„Gut, gibt es solche Menschen wie dich. So einen Job könnte ich niemals machen. Echt bewunderns- und bemerkenswert!“ – Seit ich meinen Beruf, Fachfrau Betreuung mit Fachbereich Betreuung von Menschen mit einer Behinderung, vor bald fünf Jahren gewählt habe, ist das immer, also wirklich immer die erste Reaktion einer Person, welcher ich von meiner Arbeit erzähle. Und wisst ihr was? Es nervt. Es nervt so unglaublich arg. Es ist wie jeder andere Beruf. Ich bin kein Engel, nur weil ich mich um andere kümmere, sowie auch keiner an der Börse der einige Male Glück hatte ein Hellseher ist. Eigentlich müsste man, wenn man mich damit auf ein so hohes Podest hebt, jede Mutter, jede Kindergärtnerin, Lehrerin, Pflegerin, Ärztin und viele Berufsgattungen mehr auch auf diese Stufe stellen. Aber das tut man nicht, weil diese meistens mit „normalen“ zu tun haben und genau das ist das Problem; Viele Menschen kennen einfach keinen Menschen mit einer Beeinträchtigung und stellen sich das ganze schlicht und weg furchtbar kompliziert vor. Dabei sind doch Menschen mit einer Behinderung gar nicht so viel anders als wir. Ihre Bedürfnisse und Ansichten sind halt manchmal einfach ein Stück verschoben, wenn man sie mit dem Grossteil der Gesellschaft vergleicht. Klar; Sie machen sich keine Sorgen darüber, dass die Steuern höher werden, oder dass der Wohnungszins steigt. Warum sollten sie auch? Sie müssen es doch gar nicht. Dafür steht ihre Welt Kopf, wenn die einzige Kaffeemaschine im Haus den Geist aufgibt. Denn; Was tun sie jetzt den gesamten Nachmittag? Genau; Däumchen drehen. Ihre Probleme sind meistens für uns viel kleiner, unscheinbar und für uns manchmal nicht mal erkennbar.

Sieh dir einen Autisten an; Viele – ich spreche extra nicht für alle, denn jeder Autist ist wie jeder ’normale‘ Mensch völlig verschieden – benutzen uns Mitarbeiter als Mittel zum Zweck. Aber was ist, wenn der Kanton sparen muss und plötzlich alle langjährigen Mitarbeiter durch frische, schnelle Quereinsteiger ersetzt werden? Genau; Die Sicherheit geht verloren. Oftmals braucht man einige Zeit um die Sprache seines Gegenübers zu verstehen. Wer weiss denn schon, dass „AABBE“ Kaffee heissen soll? Du etwa? Nein, oder? Aber woher auch.

Aber arbeitest du einige Zeit auf dem Beruf, der dich interessiert, wirst du sowas schnell lernen. Du lernst zu verstehen, sobald es dich interessiert. Du lernst damit umzugehen, wenn du es willst. Und genau das ist das, was diese Arbeit eben nicht von anderen abhebt. Schliesslich weiss ich auch nicht, wie ein Auto funktioniert, weil es mich nicht interessiert, aber ich bin unglaublich dankbar, dass es Menschen gibt, welche das im Griff haben. Doch einem Automechaniker sagt doch keiner: „Gut, gibt es solche Menschen wie dich. So einen Job könnte ich niemals machen.“ Das selbe gilt für Metzger, Skilehrer, Köche oder noch schlimmer; Busfahrer. Habt ihr euch schonmal geachtet, dass die Busfahrer meistens die sind, die euch zur Arbeit fahren, die schon lange wach sind, bevor ihr es seid und die bei einem freundlichen „Schönen guten Abend Miteinander!“ meistens völlig ignoriert werden? Ist echt so und ist echt schade. Aber eben, solche Jobs werden nicht wirklich von der Gesellschaft geschätzt.

Ich habe meinen Job so ausgesucht, dass ich meine Interessen und Stärken einbauen kann. Also ist meine Arbeit für mich einfach kein halbes Weltwunder. Es ist für mich nicht schwer, jemanden zu pflegen und Medikamente abzugeben. Aber ich bin froh, dass ich nicht in einem Büro sitzen muss, denn das wäre echt schwer für mich.

Die einzige Reaktion welche ich noch viel weniger verstanden habe, als welche die oben beschrieben ist, war als ich in einem Altenheim ein Praktika absolviert habe und mich die Menschen da fragten, was ich denn danach machen würde und ich damit antwortete, dass ich die Ausbildung zur Fachfrau Betreuung mit Fachbereich Betreuung für Menschen mit einer Behinderung in der SSBL (Stiftung f. Schwerbehinderte Luzern) beginnen möchte: „Warum sollte man seine Zeit mit Behinderten vergeuden? Die brauchen nur Steuergelder und geben der Gesellschaft nichts zurück, sie nehmen nur.“ So eine Aussage kann ich einfach nicht nachvollziehen. Sagt ja auch keiner: „Boa, jetzt bist du 65, arbeitest nicht mehr und kannst der Gesellschaft nichts mehr zurückgeben. Echt schlecht.“ – Aber eben, ist eine andere Geschichte.

Was arbeitet ihr und habt ihr auch schon seltsame Reaktionen auf eure Berufswahl erlebt? Lasst es mich wissen!

Eure Anna

 

Bild: Marco Bäni

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