„Ach, du bist ein Einzelkind, ja dann ist’s klar…“

Manchmal ist es echt mühsam, sich ständig rechtfertigen zu müssen, dass man nicht immer Lust auf Menschen hat. „Warum kommst du nicht mit?“ „Wieso hast du keine Lust ein Spiel zu machen?“ Wieso, wieso, wieso… Unglaublich, aber wahr: Wenn ich dann sage, dass ich ein Einzelkind bin, ist dann alles in Ordnung. Weil es dann anscheinend „normal“ ist. Deshalb ist das so meine Standard Ausrede geworden, für Dinge in der Gesellschaft, auf die ich keine Lust habe. Ich glaube aber eher weniger, dass mein Drang, manchmal einfach alleine zu sein, daher kommt, dass ich ein Einzelkind bin. Sonst wären alle Einzelkinder auch Einzelgänger und Kinder aus einer grossen Familie extrem extrovertiert. Dem ist aber, anders als anscheinend alle meinen, nicht so.

Ich hasse es, wenn Menschen einander nicht zuhören und kann es deshalb auch nicht ab, wenn 6 verschiedene Personen gleichzeitig miteinander, bez. durcheinander, reden. Ich sitze dann meistens nur da und versuche hilflos die viel zu vielen Impressionen zu filtern um wenigstens einem der Gespräche folgen zu können. Irgendwann schaltet dann jedoch mein Kopf aus und ich bin nur noch in meiner Hülle anwesend.

Einzelkinder sind introvertiert, Lesben haben kurze Haare, alle Bäcker sind dick…

Man sollte nicht sagen, dass wenn man etwas „schubladisiert“ es dann auch gleich etwas schlechtes zu bedeuten hat. Meistens lernen wir aber diese Rolle in dem Kontext kennen und verbinden dann diese Dinge miteinander. So entsteht eine „Schublade“. Das Wichtige ist jedoch, dass man über den Schubladenrand hinausdenken kann. Wir Menschen, so würde ich das sehen, brauchen diese Vorstellung von gewissen Dingen, was uns Sicherheit vermittelt. Wir sollten aber im Leben lernen und akzeptieren, dass es auch immer wieder Ausnahmen gibt und diese dann auch in die Entstehung neuer Kästen und Schubladen mit einzubeziehen.

Es ist manchmal echt mühsam, dass ich, eine relativ selbstbewusste Person, immer damit assoziiert werden, dass ich gerne neue Leute kennenlerne, da es mir „anscheinend nichts ausmacht“ auf diese zu zugehen. Aber eigentlich hasse ich es. Wirklich. Es nervt mich ungemein, so zu tun, als würde es mich interessieren, was Person XY von Beruf macht, welches ihre Lieblingsspeise ist und wieso ihre Eltern geschieden sind. Ich weiss einfach, wie wichtig es ist, sich in eine funktionierende Gruppe zu integrieren und kann dies einfach irgendwie immer bewerkstelligen.

Wenn man gemobbt wurde, dann kann man daraus auch wachsen und stärker werden.

Glaubt mir, wenn ich etwas in den 6 Jahren meiner Grundschule gelernt habe, dann, dass es wirklich scheiss egal ist, was Andere denken. Diese Erkenntnis kam für mich zwar reichlich spät, jedoch besser spät, als nie. Jahrelang wurde ich von Mitschülern gehänselt und abgegrenzt. Meine Eltern haben sich in dieser Zeit getrennt und alles war etwas kompliziert. Schliesslich ist das etwas schlimmes, hier in diesem Kuhkaff. Hier ist es verpönt, wenn eine Familie auseinanderbricht und innert kürzester Zeit weiss es einfach Jeder. (Keine Ahnung wie diese Klatsch-Tanten das immer schaffen…) Aber ich war wohl auch etwas speziell, weil ich eben „ein Einzelkind“ war. Ich wusste damals wohl nicht wirklich, wie ich mich integrieren soll und habe es auch irgendwie nicht für nötig gehalten. Doch heute sehe ich das alles etwas anders. Integration ist wichtig für ein soziales Netz, aber man soll sich nicht verstellen, nur um integriert zu werden. Man soll seine Meinung haben, aber vielleicht auch mal zuhören, was andere sagen. Man soll sich einfach nicht nur auf sich konzentrieren, sondern sich integrieren.

 

Zurück zum Thema meines Gedankenchaos: Ich finde es unglaublich erschütternd, wieviele Menschen es gibt, die Denken, dass Einzelkinder einfach nur alleine sein wollen oder weniger kommunikativ sind, als andere. Seid doch bitte offen für alle Menschen und steckt sie nicht einfach in eine Schublade (oder behaltet es wenigstens für euch, wenn ihr es schon tun müsst). Schliesslich hört keiner gern, dass es „wie alle anderen, genau ins Schema passt“. Jeder möchte doch etwas spezielles sein und deshalb lass die Menschen genau das tun.

 

3 Kommentare

  • Lara

    20. März 2017 at 20:47

    Auch ich als „Einzelkind“ kenne alle Punke. Wir scheinen wirklich viele Gemeinsamkeiten zu haben auch wenn das andere äußerlich nie ahnen würden.
    P.s. Ich lese dich gerne!

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  • Jürgen

    20. März 2017 at 22:35

    An soetwas habe ich nie gedacht. Bin mit 4 Geschwistern aufgewachsen und war daher nie „alleine“. Und würde man nach der Meinung vieler gehen, wie du schon schreibst, müsste ich beispielsweise extrovertiert sein, bin es aber überhaupt nicht. Ich bin ganz froh, auch mal meine Ruhe zu haben. Und meine beste Freundin (Einzelkind) ist z.B. sehr kontaktfreudig und immer gerne auf großen Partys etc.
    Du hast Recht: Schluss mit dem Schubladendenken und offen für Neues und vielleicht Ungewohntes sein!

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